Neu bei PRISMA+: Julia Harz

10.03.2023

„Kosmologie des frühen Universums“ – so lautet der Titel der W2-Professur, die Julia Harz seit Anfang Oktober 2022 am Exzellenzcluster PRISMA+ innehat. Als theoretische Physikerin beschäftigt sie sich mit den fundamentalen Fragen unserer Existenz: Warum gibt es im Universum so viel mehr Materie als Antimaterie? Woraus besteht die Dunkle Materie? Wie kommen Neutrinos zu ihrer Masse? Diese Fragen bilden zugleich wichtige Schwerpunkte im Forschungsprogramm von PRISMA+.

„Wir wollen neue Ideen zur Erklärung dieser drei Phänomene entwickeln“, beschreibt Julia Harz das Ziel ihrer Forschung. Dafür blickt sie weit zurück in die Geschichte des Universums – bis zu dessen Anfängen. „Im frühen Universum haben sich die entscheidenden Dinge abgespielt“, sagt Julia Harz, „und aus einem gleichförmigen heißen Plasma entstanden erste Teilchen und Strukturen. Diese Verknüpfung von Teilchenphysik und Kosmologie finde ich ungemein spannend.“

Ihren Forschungsfragen nähert sich Julia Harz auf zwei verschiedenen Arten: Zum einen entwickelt sie neue Strategien, um phänomenologische Modelle zu testen und um so beispielsweise den Mechanismus hinter der Materie-Antimaterie-Asymmetrie zu erklären oder der Natur der Neutrinos näher zu kommen. Dahinter steht immer die Frage: Was können wir in der Theorie aus dem Experiment lernen und – umgekehrt – welche Experimente können wir aufgrund unserer Modelle vorschlagen, um dies zu überprüfen? Der zweite Ansatz ist die Berechnung von Vorhersagen auf Basis grundlegender physikalischer Theorien: Hier gilt es etwa zu hinterfragen, ob alle wichtigen physikalischen Effekte berücksichtigt wurden, und entsprechende Berechnungen so immer weiter zu verbessern. „Wenn wir in unseren Rechnungen nicht die Präzision der Experimente erreichen, haben wir ein Problem bei der Interpretation der experimentellen Ergebnisse“, verdeutlicht Julia Harz.

Vorhersagen zur Natur der Dunklen Materie

Ein aktueller Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Berechnung von Vorhersagen zur Natur der Dunklen Materie – hier gelten WIMPS (Weaklys Interacting Massive Particles) als aussichtsreiche Kandidaten, aus denen die Dunkle Materie bestehen könnte. „Mit unseren Rechnungen konnten wir zeigen, dass ein Parameterbereich, der für bestimmte WIMP-Szenarien eigentlich schon als ausgeschlossen angesehen war, doch wieder in Frage kommt“, so Julia Harz. „Das wiederum ist wichtig für die Motivation und Planung zukünftiger Experimente und Forschungsprogramme.“ Momentan konzentriert sich Julia Harz mit ihrer Arbeitsgruppe auf die Berücksichtigung thermischer Effekte – die vor allem im frühen Universum, also im Stadium eines heißen Plasmas, eine Rolle spielen und deshalb Einfluss auf die theoretische Vorhersage haben sollten. Bisher wurde in Teilen der Rechnungen standardmäßig eine Temperatur von 0 Kelvin angenommen, was in vielen Szenarien eine gute Näherung zur Beschreibung von WIMPs ist, aber an Grenzen stößt, sobald der Produktionsmechanismus der Dunklen Materie bei heißeren Temperaturen und damit früher in der Evolution des Universums stattfand. Dies ist etwa im Rahmen von Dunkle Materie Kandidaten, die noch schwächer als die WIMPs wechselwirken, beispielsweise bei den sogenannten FIMPs (Feebly Interacting Massive Particles) von Relevanz. Das Ziel ist hierbei sowohl offene methodische Probleme zu lösen, als auch einen neuen „Goldstandard“ in der theoretischen Vorhersage zu setzen.

Die Entscheidung für die theoretische Physik fiel nach der Masterarbeit an der Universität Würzburg. Neben einer theoretischen Fragestellung enthielt die Arbeit auch eine experimentelle Analyse, die Julia Harz im Rahmen des ATLAS Experiments absolvierte. Dabei merkte sie, dass ihr Herz für die Theorie schlägt. Hier findet Julia Harz die umfängliche Sichtweise und die Flexibilität, die sie sich in ihrer Forschung wünscht. „Ausgehend von immer neuen Merkwürdigkeiten und Anomalien können wir als Theoretiker hierfür Lösungen und Modelle vorschlagen“, sagt sie. „Dieser umfassende Blick auf immer neue Dinge ist für mich wie lebenslanges Lernen.“

Überhaupt sieht Julia Harz ihre Forschung als großes Privileg an: „Fast jeder hat sich bereits als Kind die fundamentalen Fragen gestellt, die ich nun in meiner Forschung bearbeiten darf. Warum existieren wir? Wie hat sich das Universum entwickelt? Diese menschliche Neugier nun tagtäglich austesten zu dürfen, macht für mich die Faszination der theoretischen Physik aus.“

Wichtig ist ihr dabei auch die Internationalität des Faches und die Möglichkeit, ihr Wissen weiterzugeben. Für den Standort Mainz hat sie sich entschieden, da „PRISMA+ und das MITP international bekannt sind und zu den Top-Adressen zählen.“ Hier findet sie zudem eine sehr enge und intensive Verzahnung von Theorie und Experiment, insbesondere da viele der experimentell arbeitenden Physikerinnen und Physiker in Mainz an den relevanten Großexperimenten im Hinblick auf Neutrinos, Dunkle Materie und Antimaterie beteiligt sind.

Nach ihrer Doktorarbeit am DESY in Hamburg absolvierte Julia Harz zwei Stationen als Postdoc in London und Paris, bevor sie an der TU München von 2018 bis September 2022 Leiterin der Emmy Noether Nachwuchsgruppe „Baryogenesis, Dark Matter and Neutrinos: Comprehensive analyses and accurate methods in particle cosmology“ war. Ein Hobby hat sie auf ihren vielen wissenschaftlichen Stationen immer begleitet, sie hat es auch mit nach Mainz gebracht: Das Singen im Chor ist für sie eine wichtige Konstante neben der Physik. Ein Chor in Mainz ist schon gefunden.