Woran forschen Sie gerade? Christine Claessens

06.07.2020

Die präziseste Neutrinowaage der Welt

Christine Claessens ist seit 2016 Doktorandin in der Experimentellen Teilchen- und Astroteilchenphysik (ETAP) am Exzellenzcluster PRISMA+. In ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich mit der Datenanalyse und Datenerfassung für das Project 8-Experiment. Im Rahmen von Project 8 wurde die neue Methode der Zyklotron-Strahlungs-Emissions-Spektroskopie entwickelt, um die absolute Neutrinomasse mit bisher unerreichter Präzision zu messen. Im Jahr 2016 verbrachte Christine Claessens einen längeren Forschungsaufenthalt an der University of Washington in Seattle. Dort war sie am Aufbau des TRIMS Experiments beteiligt – und hat nun gemeinsam mit ihren dortigen Kollegen ein wichtiges Resultat in der renommierten Fachzeitschrift „Physical Reviews Letters“ veröffentlicht. Herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg!

„Im TRIMS (Tritium Recoil-Ion Mass Spectrometer)-Experiment haben wir den Zerfall von molekularem Tritium genau unter die Lupe genommen und die Häufigkeit verschiedener Zerfallskanäle gemessen. Es ist uns gelungen, eine lange bestehende Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment hinsichtlich des Zerfalls von molekularem Tritium aufzuklären. Dies wiederum ist eine wichtige Voraussetzung für das Project 8 Experiment, mit dem ich mich in meiner Doktorarbeit in Mainz beschäftige, und für das KATRIN Experiment am KIT in Karlsruhe.

Bei Project 8 wollen wir anhand des Zerfalls von Tritium und dem zugehörigen Zerfallsspektrum die Neutrinomasse bestimmen. Dazu müssen wir die Form des Tritium-Zerfallsspektrums sehr exakt kennen. Sie wird aus theoretischen Berechnungen bestimmt. Die theoretisch berechnete Häufigkeit einzelner Zerfallskanäle stand bisher im Widerspruch zu Messungen aus den 50er Jahren. Das TRIMS-Experiment hat diesen Widerspruch nun aufgelöst und die Theorie bestätigt.

Das TRIMS Experiment arbeitet mit einer Kombination aus Flugzeitmessungen und Energiebestimmung nach elektrostatischer Beschleunigung. Diese Information kann zur Bestimmung der Masse und der Ladung der einfallenden Teilchen, die beim Tritiumzerfall entstehen, verwendet werden. Als ich meinen Aufenthalt in Seattle begann, waren die Tests am Prototypen erfolgreich abgeschlossen und ich konnte beim Aufbau des eigentlichen Experiments mitarbeiten.

Im Detail beschäftigte ich mich mit der Charakterisierung der Ionen-Detektoren. Zu diesem Zweck haben wir die Kapazität und den Leckstrom der Detektoren gemessen, sie montiert, eine Test-Ionenquelle aufgebaut und ein Americium-241-Spektrum aufgenommen. Zu meinen Aufgaben gehörte auch die Installation und Inbetriebnahme der Magnete, die das magnetische Führungsfeld für die Zerfallselektronen bilden. Darüber hinaus hatte ich bei einem weiteren Aufenthalt in Seattle bereits Kontakt zum dortigen Project 8-Team und habe am zugehörigen Datenerfassungssystem mitgearbeitet.

Mein Forschungsaufenthalt in Seattle war eine sehr bereichernde Erfahrung. Von dem, was ich dort gelernt habe, kann ich vieles bei meiner Promotion in Mainz anwenden. Es war eine sehr spannende Zeit, von der ich auch persönlich in vielerlei Hinsicht profitiert habe. Das TRIMS Team hat mich sehr gut aufgenommen und ich bin allen sehr dankbar für die tolle Zusammenarbeit und die umfassende Erfahrung, die ich dort sammeln konnte. Dass unsere Arbeit ein so wichtiges Ergebnis mit großer Bedeutung auch für Project 8 erbracht hat und nun erfolgreich publiziert wurde, ist etwas ganz Besonders für mich. “

Mehr als 180 Doktorandinnen und Doktoranden sowie etwa 100 Postdocs forschen in den verschiedenen Bereichen des Mainzer Exzellenzclusters PRISMA+. Mit ihrem Engagement, ihren Ideen und ihrem Wissensdurst leisten sie einen unerlässlichen Beitrag zur Umsetzung des PRISMA+-Forschungsprogramms. In loser Folge stellen wir in der Rubrik „Woran forschen Sie gerade?“ Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler und ihre Forschungsprojekte vor.