Woran forschen Sie gerade? Dr. Simon Kuberski

Juni 2022

Starke Wechselwirkung im Blick

„Als theoretischer Teilchenphysiker versuche ich, die Eigenschaften bestimmter Teilchen möglichst präzise vorherzusagen. Durch Vergleich mit den entsprechenden Experimenten wollen wir herausfinden, wo das Standardmodell Schwächen hat. Viele experimentelle Ergebnisse sind heute nur noch mit sehr kleinen Unsicherheiten behaftet. Ziel ist es, bei unseren theoretischen Vorhersagen damit Schritt halten zu können.

Insbesondere die starke Wechselwirkung beschäftigt uns, denn sie ist am kompliziertesten zu berechnen – mit Papier und Stift gelingt uns das nicht mehr. Die starke Wechselwirkung bindet Quarks innerhalb des Atomkerns aneinander und wird über Gluonen vermittelt. Um deren Dynamik vorhersagen zu können, brauchen wir Supercomputer und müssen die reale Welt vereinfachen. Hierfür nutzen wir die Gitterfeldtheorie.

©: Angelika Stehle

Im ersten Schritt beschränken wir uns auf einen endlichen Ausschnitt der Wirklichkeit: Wir betrachten einen Würfel, der groß genug sein muss, damit gebundene Zustände aus Quarks und Gluonen, also zum Beispiel Pionen, Protonen und Neutronen, darin existieren können, ohne dass ihre Eigenschaften merkbar dadurch beeinflusst sind, dass der Würfel eben nicht unendlich groß ist. In den Würfel hinein setzen wir dann einzelne Gitterpunkte.

Nun simulieren wir viele verschiedene Konfigurationen, wie die Gluonen mit sich selbst und den Quarks auf den Gitterpunkten wechselwirken. Hunderte bis Tausende solcher Schnappschüsse bilden ein Ensemble. In fast allen Projekten in Mainz nutzen wir das gleiche Set von 25 Ensembles: Es ist sozusagen unser Werkzeugkasten und wir können damit zum Beispiel das anomale magnetische Moment des Myons berechnen.

Hier sorgte ein neuer experimenteller Wert im letzten Jahr für großes Aufsehen, denn der aktuelle Theorie-Wert weicht deutlich ab. Mit neuen innovativen Gitterrechnungen, wie sie erst seit wenigen Jahren überhaupt möglich sind, wollen wir unsere Vorhersage immer weiter verfeinern. Das gelingt nur in Rahmen eines großen Verbunds und macht die Forschung in diesen Zeiten sehr spannend.“

Dr. Simon Kuberski ist seit Oktober 2020 Postdoc in der Gruppe von Prof. Dr. Hartmut Wittig. An seiner Forschung fasziniert ihn vor allem, wie es gelingt mit wenigen grundlegenden Gleichungen und Parametern sehr viel Physik zu beschreiben – einerseits so simpel und gleichzeitig so komplex.