Mai 2021
Vom Leben und Sterben des Higgs-Teilchens
„Als das Higgs-Teilchen im Juli 2012 am CERN entdeckt wurde, war dies eine wissenschaftliche Sensation. Seitdem ist es gelungen, seine Eigenschaften weiter zu studieren – aber noch immer gibt es uns viele Rätsel auf.
In meiner Forschung nutze ich ein neues Theoriemodell, um zu verstehen, wie Higgs-Teilchen aus zwei Gluonen entstehen oder wieder in diese zerfallen. Das theoretische Verständnis dieser und anderer Prozesse hilft uns wiederum, entsprechende Experimente an großen Beschleunigern zu simulieren und zu interpretieren. Die große Frage, die dahintersteckt: Verhält das Higgs-Teilchen sich so, wie es das Standardmodell der Teilchenphysik vorhersagt? Oder zeigt es Auffälligkeiten, die auf eine bisher unbekannte Physik hindeuten?
©: Angelika Stehle
Was wie ein einfacher Produktions- oder Zerfallsprozess klingt, ist theoretisch nicht leicht zu beschreiben, da Effekte der starken Wechselwirkung eine Rolle spielen. So entstehen in einem Zwischenschritt „virtuelle Quarks“, die nur während des Prozesses existieren, aber nicht experimentell messbar sind.
Ich nutze hierzu einen neuartigen Ansatz, der auf einer effektiven Feldtheorie basiert: die sogenannte Soft Collinear Effective Theory. Mit der SCET kann ich den Prozess in einzelne Anteile zerlegen. Diese Faktoren wiederum lassen sich auf einer bestimmten Energieskala jeweils am einfachsten berechnen, wobei diese Skala von Faktor zu Faktor unterschiedlich ist. Am Ende werden alle Faktoren wieder zusammengeführt.
Obwohl wir wissen, dass es in unserem Fall ein solches Faktorisierungstheorem geben muss, kennen wir die einzelnen Anteile nicht und genau diese gilt es herauszufinden. Die SCET Methode ist hierbei die erste, die ausreichend genaue analytische Berechnungen erlaubt. Ein hochaktuelles Forschungsthema, das aufgrund seiner Komplexität erst in den letzten Jahren so richtig an Fahrt aufgenommen hat. Hier ganz vorne mit dabei zu sein, ist ungemein spannend.“
Marvin Schnubel ist Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Matthias Neubert und hat ein PhD-Fellowship der Mainz Physics Academy inne. Ihn fasziniert die Idee, Prozesse, die um uns herum allgegenwärtig sind, theoretisch zu verstehen.