NA62-Experiment am CERN beobachtet ultra-seltenen Teilchenzerfall

25.09.2024

Nach dem Standardmodell der Teilchenphysik ist die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Zerfall eintritt, geringer als eins zu 10 Milliarden

PRESSEMITTEILUNG DER NA62-KOLLABORATION

Die NA62-Kollaboration meldete die eindeutige Bestätigung des ultra-seltenen Zerfalls eines positiv geladenen Kaons in ein positiv geladenes Pion und ein Neutrino-Antineutrino-Paar. Dies ist jedoch das erste Mal, dass er mit einer statistischen Signifikanz von fünf Standardabweichungen gemessen wurde, die traditionell für eine Entdeckung in der Teilchenphysik erforderlich ist.

Der als K+ ➝ π+νν̅ bezeichnete Zerfall ist der seltenste jemals beobachtete Teilchenprozess: Nach dem Standardmodell der Teilchenphysik wird weniger als eines von 10 Milliarden positiv geladenen Kaonen auf diese Weise zerfallen.

„Diese Beobachtung ist der Höhepunkt eines Projekts, das vor mehr als einem Jahrzehnt begann“, sagt NA62-Sprecher Giuseppe Ruggiero. „Die Suche nach Effekten in der Natur, deren Eintrittswahrscheinlichkeit in der Größenordnung von 10-11 liegt, ist faszinierend und herausfordernd zugleich. Nach harter und sorgfältiger Arbeit haben wir endlich den Prozess gesehen, für dessen Beobachtung NA62 konzipiert und gebaut wurde“.

Aber warum sind die Physikerinnen und Physiker auf der Suche nach einem Prozess, der so selten ist? Der Grund: Theoretische Modelle deuten darauf hin, dass der K+→π+νν-Zerfall extrem empfindlich auf Abweichungen von den Vorhersagen des Standardmodells reagiert, was ihn zu einem der interessantesten Prozesse für die Suche nach Hinweisen auf neue Physik jenseits des Standardmodells macht.

„Das Finden von Hinweisen auf neue Physik erfordert noch mehr Daten, aber das jetzige Ergebnis ist ein großer Fortschritt und erweckt Vorfreude auf zukünftige Messungen“, sagt Rainer Wanke, Leiter der NA62-Gruppe an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Bei der Analyse der Daten, die der NA62-Detektor zwischen 2016 und 2022 gesammelt hat, haben die NA62-Forscher den Anteil von K+, der auf diese Weise zerfällt, mit 13.0-2.9+3.3×10-11 gemessen. Mit einer relativen Genauigkeit von 25% ist dies die bisher genaueste Messung des K+→π+νν-Zerfalls. Die Gruppe in Mainz hat eine 30 Tonnen schwere Detektorkomponente zu NA62 beigetragen, um π+- von den zahlreichen µ+-Teilchen zu trennen, und ist zudem für die Computerfarm des Experiments verantwortlich.
Das Ergebnis liegt etwa 50 % über der Vorhersage des Standardmodells, ist aber angesichts der Gesamtunsicherheit mit diesem vereinbar. Mit der laufenden Datenerfassung wird NA62 in den nächsten Jahren in der Lage sein, die Möglichkeit einer neuen Physik in diesem Zerfall zu testen.

Beim NA62-Experiment werden Kaonen erzeugt, indem ein hochintensiver Protonenstrahl aus dem Super Proton Synchrotron des CERN auf ein stationäres Target geschossen wird. Dabei werden fast eine Milliarde Sekundärteilchen pro Sekunde erzeugt, die in den NA62-Detektor fliegen. Davon sind etwa 6% positiv geladene Kaonen. NA62 weist die Zerfallsprodukte der Kaonen präzise nach und identifiziert und misst alle erzeugten Teilchen mit Ausnahme der Neutrinos, deren Anwesenheit sich aus ihrer fehlenden Energie ableiten lässt.

Ausschlaggebend für dieses Ergebnis waren die Daten aus den Jahren 2021 und 2022, die nach dem Abschluss von Detektor-Upgrades aufgenommen wurden, die es NA62 ermöglichten, mit 30 % höheren Strahlintensitäten zu arbeiten. In Kombination mit verbesserten Datenanalysetechniken ermöglichten diese Hardware-Upgrades eine um 50 % schnellere Detektion von Signalkandidaten als zuvor, während gleichzeitig neue Instrumente hinzugefügt wurden, um Hintergrundprozesse zu unterdrücken, die den K+→π+νν-Zerfall imitieren könnten.

„Die Messung beruht darauf, den einen Zerfall in 10 Milliarden K+-Zerfällen zu identifizieren, der unser Signal darstellt, und sicherzustellen, dass es sich nicht um einen der anderen 9 999 999 999 999 Zerfälle handelt, die das Signal imitieren können“, sagt der leitende Datenanalyst Joel Swallow. „Die gesamte NA62-Kollaboration hat dieses fast unmögliche Ergebnis möglich gemacht.“

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