Neu bei PRISMA+: Prof. Dr. Jens Erler

28.05.2021

Prof. Dr. Jens Erler ist neu bei PRISMA+ - und auch wieder nicht. Im Januar hat er eine Professur für „Präzisionsrechnungen für Niederenergieexperimente“ angetreten, kooperiert mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort aber schon seit vielen Jahren. Dabei geht es in erster Linie um die Konzeption und die theoretischen Grundlagen des P2-Experimentes für den neuen Elektronenbeschleuniger MESA.

Jens Erler ist theoretischer Physiker und sein Forschungsinteresse galt zunächst der Stringtheorie. Seit seiner ersten Postdocstelle in den 90er Jahren widmet er sich jedoch der elektroschwachen Physik, die die elektromagnetische und die schwache Wechselwirkung im Rahmen des Standardmodells zu einer vereinheitlichten Theorie zusammenfasst. „Das war zu der Zeit als der LEP – der Large Electron Positron Collider – am CERN in eindrucksvoller Weise viele Aussagen der elektroschwachen Theorie bestätigen konnte“, beschreibt Jens Erler. „Dieses Gebiet der Physik hat mich damals ungemein fasziniert – und tut es bis heute.“

Der erste direkte Kontakt zu den Mainzer Kollegen am Institut für Kernphysik kam im Jahre 2011 bei der Begutachtung eines Sonderforschungsbereichs zustande, bei der Jens Erler als Gutachter für das P2-Experiment zuständig war. Hieraus hat sich über die letzten zehn Jahre eine intensive Zusammenarbeit entwickelt – inklusive zweier Sabbaticals, die Jens Erler in Mainz verbracht hat. „Frank Maas plante damals für MESA das P2-Experiment – mit ihm wollte er ähnliche Fragen wie das Qweak Experiment am Jefferson Lab bei niedrigen Energien beantworten“, sagt Jens Erler.

Konkret geht es bei P2 darum, die schwache Ladung des Protons extrem präzise zu ermitteln, also die Stärke, mit der das Proton an die schwache Wechselwirkung koppelt. Aus dieser Größe leitet sich der elektroschwache Mischungswinkel (auch Weinbergwinkel genannt) ab – ein Maß für die relative Stärke von schwacher und elektromagnetischer Wechselwirkung. Bei den niedrigen Energien im P2-Experiment könnten Effekte neuer Physik den Mischungswinkel stark modifizieren, so dass der Vergleich zwischen Präzisionsmessung und Vorhersage des Standardmodells Hinweise auf neue Physik liefern könnte.

„Zusammen mit meinen beiden Kollegen aus dem P2-Theorieteam – Hubert Spiesberger und Misha Gorshteyn - wollen wir vor allem diese theoretische Vorhersage möglichst präzise berechnen, damit der Vergleich mit der ebenfalls sehr präzisen Messung aussagekräftig ist. Dabei sind die theoretischen Unsicherheiten oft von der starken Wechselwirkung dominiert“, erläutert Jens Erler. „Es geht uns aber auch um die theoretischen Grundlagen des P2-Experiments insgesamt: Was kann man lernen, was ist der Vorteil gegenüber anderen Experimenten, welche komplementären Ergebnisse sind zu erwarten?“ Letzteres gilt zum Beispiel im Hinblick auf komplementäre Messungen am LHC: Kombiniert mit diesen fällt der Test des Standardmodells über den Weinbergwinkel noch präziser aus.

Zu der theoretischen Vorhersage des Weinbergwinkels bei niedrigen Energien gibt es bereits umfangreiche Vorarbeiten. Jens Erler hat hier eine entscheidende Rolle gespielt und nur sehr wenige Physiker weltweit verfügen über die hierzu erforderliche Expertise. Neben den konkreten Fragen des P2 Experiments widmet sich Jens Erler auch der globalen Analyse der elektroschwachen Kraft.

Jens Erler ist ein international ausgewiesener Wissenschaftler, der vor seiner Professur in Mainz an einer der renommiertesten Universitäten Lateinamerikas, der UNAM (Universidad Nacional Autónoma de México) in Mexico Stadt, forschte. Er hat zahlreiche Artikel in hochrangigen Zeitschriften veröffentlicht. Am Mainzer Institut für Theoretische Physik (MITP) hat Jens Erler bereits zahlreiche Workshops durchgeführt, zu denen experimentelle und theoretische Kollegen aus aller Welt nach Mainz gekommen sind, um das Physik-Programm des MESA-Beschleunigers zu diskutieren und zu verbessern. Hierdurch wurden zahlreiche Theoriearbeiten initiiert und von der internationalen Community durchgeführt. „Durch die Exzellenzinitiative und die Etablierung von PRISMA bzw. des Nachfolgeclusters PRISMA+ ist die Universität Mainz zu einem bedeutenden Zentrum der Teilchen- und Präzisionsphysik geworden und die Sichtbarkeit hat sich enorm erhöht – MESA, PRISMA und MITP sind Begriffe, die man seitdem auf der ganzen Welt kennt. Für mich ist es eine große Freude nun an diesem Standort Teils des PRISMA+-Teams zu sein.“

Jens Erler ist verheiratet und hat zwei Kinder – während der Corona-Pandemie hat er mit seiner Familie Mainz und Rheinhessen vor allem per Rad für sich entdeckt. Daneben macht ein kürzlich erworbener Binnenschiffahrtsschein es auch möglich, Rhein und Main per Motorboot zu erkunden.