Neu bei PRISMA+: Stefan Schoppmann

13.05.2022

An der Wurzel gepackt

Mit einer neuen Klasse von flüssigen Detektoren beschäftigt sich Dr. Stefan Schoppmann. Seit April 2022 forscht er als Postdoc und Inhaber eines Detector Innovation Fellowship am Exzellenzcluster PRISMA+.

Das Interesse des 35jährigen Physikers und Mathematikers gilt einer trüben und milchigen Flüssigkeit: Opake Flüssigszintillatoren sollen insbesondere in der Neutrinophysik neue Möglichkeiten eröffnen. Dabei sind sie eigentlich ein Widerspruch in sich: Denn aktuelle Flüssigszintillatoren müssen möglichst transparent sein, damit das Szintillationslicht, welches eintreffende Neutrinos erzeugen, möglichst störungsfrei zu den das Detektormedium umgebenden Photomultipliern gelangt. „Spontan würde man also denken, die Trübung ist kontraproduktiv“, sagt Stefan Schoppmann. „Aber bei uns ist sie Teil des Konzepts, denn wir verfolgen eine andere Art der Detektion: Wir wollen das Szintillationslicht möglichst nahe am Ort der Entstehung nachweisen. Das erreichen wir durch die Trübung, welche das Licht quasi dort wo es erzeugt wird bzw. auf sehr kurze Distanzen ‚einschließt‘. Die entstehenden Lichtbälle detektieren wir mit einem dichten Netz an optischen Lichtleitern, die es dann zu umliegenden Photomultipliern transportieren.“

Bälle aus gefangenem Licht sind der Schlüssel

Opake Detektoren sind somit quasi eine Weiterentwicklung des erfolgreichen Prinzips, Neutrinos über ihr Szintillationslicht zu detektieren. Durch die Trübung und den Nachweis an Ort und Stelle – also an der Wurzel – können Teilchen, die die Szintillation auslösen, aber sehr viel besser voneinander unterschieden werden: „Das liegt daran, dass der Energieeintrag in den Szintillator je nach Teilchensorte sehr unterschiedlich ist“, erläutert Stefan Schoppmann. „So entstehen unterschiedliche Topologien – also Lichtmuster – die wir mit unserem Netz an Lichtleitern messen und so die Teilchen zuverlässig unterscheiden können.“ Mehr noch: Das entstehende Szintillationslicht wird nicht als Summe aller Ereignisse in einem Photomultiplier registriert, sondern kann Ereignis für Ereignis aufgezeichnet werden.

Ein Beispiel: Positronen, die aus einem inversen Betazerfall stammen, lösen ein anderes charakteristisches Lichtmuster aus als Elektronen, die typischerweise Hintergrundereignissen zuzuordnen sind. Damit können Signal und Untergrund sehr genau unterschieden werden und die Messungen werden sehr viel präziser. „Deshalb können wir auch Prozesse detektieren, die wir bisher nicht beobachten können, etwa in einer Umgebung, in der es sehr viele Hintergrundsignale gibt“, resümiert Stefan Schoppmann. „Auf diese Weise vereinigen opake Detektoren die Vorteile von konventionellen Flüsssigszintillatoren mit einer detaillierten Vor-Ort-Bildgebung.“

Das Konsortium, welches bei der Technologie opaker Detektoren Pionierarbeit geleistet hat, deren Potential erforscht und in dem Stefan Schoppmann Mitglied ist nennet sich LiquidO. Ursprünglich eine Idee aus der Neutrinophysik, hat sich inzwischen gezeigt, dass opake Detektoren auch für andere Bereiche spannend sind – etwa in der Medizin bei der sogenannten Positronen-Emissionstomograhie (PET), einem bildgebenden Verfahren, das vor allem in der Krebsdiagnostik eingesetzt wird.

Auch in der Neutrino-Physik sind verschiedene Anwendungen denkbar: Zum einen in der Reaktorneutrinophysik wenn es um das Monitoring eines Reaktors geht, zum anderen in der Grundlagenforschung: Im Fokus stehen etwa der neutrinolose doppelte Beta Zerfall, ein hypothetischer Prozess, dessen erstmalige Beobachtung ein Hinweis auf neue Physik jenseits des Standardmodells wäre oder auch die Beobachtung solarer Neutrinos, die Informationen über die Prozesse im Sonneninnern geben können.

„Während meines Postdocs in Heidelberg von 2016 bis 2020 haben wir den ersten opaken Detektor entwickelt, sozusagen die Grundversion. In Mainz möchte ich den Detektor weiterentwickeln“, umreißt Stefan Schoppmann sein Forschungsprogramm für die nächsten drei Jahre. „Ein Ziel ist es, die Homogenität der Szintillatorflüssigkeit zu verbessern, ein weiteres sie mit Metallen zu beladen.“ Dies ist bei opaken Detektoren in sehr viel höherer Konzentration möglich als in transparenten Detektoren. Dadurch eignen sie sich besonders für die Suche nach neutrinolosen doppelten Betazerfällen, bei denen die dafür verwendeten Metalle in den Szintillator eingebracht werden müssen.

In Mainz – und insbesondere im Detektorlabor von PRISMA+ - ist sehr viel Expertise für die geplanten Experimente vorhanden. Das Labor für Szintillations- und Fluoreszenz-Detektoren (LSFD) bietet viele Möglichkeiten für die Entwicklung und Charakterisierung von Szintillationsdetektoren, ebenso viel elektronisches Know-How ist in Bezug auf die Lichtleiter und ihre Auslese verfügbar. Wichtige Anknüpfungspunkte zum PRISMA+ Forschungsprogramm sind über die Arbeitsgruppen von Prof. Alfons Weber von Prof. Michael Wurm gegeben – beides Neutrinophysiker, die an großen internationalen Experimenten in der Neutrinoforschung beteiligt sind. „Zusammen mit vorhandenen Großgeräten, wie etwa einer Klimakammer, finde ich in Mainz und bei PRISMA+ eine einzigartige Forschungsumgebung, die die Entwicklung opaker Detektoren sicher sehr weit voranbringen kann“, ist Stefan Schoppmann überzeugt.

Publikationen
LiquidO Consortium. Neutrino physics with an opaque detector. Commun Phys 4, 273 (2021). https://doi.org/10.1038/s42005-021-00763-5

C. Buck et al 2019 JINST 14 P11007. https://doi.org/10.1088/1748-0221/14/11/P11007

Zur Person
Stefan Schoppmann studierte Physik und Mathematik in Aachen. Dort promovierte er auch mit einer Arbeit über das Double Chooz Experiment. Es folgten Post Doc Aufenthalte in Heidelberg und Berkeley, bevor er im April 2022 zum Exzellenzcluster PRISMA+ kam.