Mai 2021
Taktisch klug: Ein Testlabor für neue Physik
„Wir haben ein gemeinsames Ziel: Wir wollen das Isotop Thorium-229 nutzen, um das Standardmodell der Teilchenphysik zu testen. Im TACTICa Projekt arbeiten wir dazu Hand in Hand mit unseren Kollegen und Kolleginnen aus der experimentellen Atomphysik. Der Name TACTICa (Trapped And Cooled Thorium Ion spectroscopy via Calcium) ist Programm: Wir fangen einzelne Thorium-229-Ionen in einer speziellen Ionenfalle, um sie mittels Laserspektroskopie untersuchen zu können. Dafür müssen wir die Thorium-Ionen zunächst abbremsen – oder kühlen, wie wir sagen. Hierbei hilft uns Calcium, das mit an Bord ist. Wir nennen diese Methode Quantenlogikspektroskopie: Eigentlich wollen wir etwas über das Thorium herausfinden, brauchen aber, um dieses zu manipulieren, Calcium als Helfer, als Logik-Ion.
©: Angelika Stehle
Was macht Thorium-229 so besonders? Es besitzt mit dem metastabilen Zustand Thorium-229m das bei Weitem niedrigste angeregte Energieniveau aller derzeit bekannten etwa 3.800 Atomkerne. Es ist deshalb der einzige Kernübergang, der potenziell mit Lasern abgefragt werden kann. Die extrem präzise Vermessung dieses Übergangs und der beiden Kernzustände eröffnet spannende Perspektiven. Insbesondere wird Thorium für uns zu einem Testlabor für neue Physik. Wir wollen zum Beispiel die Frage beantworten, ob bestimmte Naturkonstanten vielleicht gar nicht so konstant sind, sondern sich mit der Zeit oder mit dem Ort ändern. Dies wiederum sagen einige Theorien zur Dunklen Materie vorher, die über das Standardmodell hinausgehen.
Aktuell arbeiten wir in der Kernchemie daran, geeignete Uran-233-Quellen herzustellen und die Thorium-229-Töchter aus dem radioaktiven Zerfall des Urans in unsere Falle zu leiten – während wir von der theoretischen Seite Modelle dafür entwickeln, was kleinste Abweichungen zwischen gemessenen und erwarteten Ergebnissen über neue Physik verraten können. Dass die Methode prinzipiell funktioniert, konnten wir bereits zeigen.“
Dr. Raphael Haas ist Kernchemiker in der Gruppe von Prof. Dr. Christoph Düllmann, Anna Viatkina hat in Russland studiert und arbeitet als theoretische Physikerin in der Gruppe von Prof. Dr.Dmitry Budker an ihrer Doktorarbeit. Das TACTICa Projekt wird im Rahmen eines „Helmholtz-Exzellenznetzwerks“ im Bereich „Materie und Universum“ gefördert.