Woran forschen Sie grade? Dr. Annika Hollnagel

Mai 2023

Bekannte und unbekannte Physik verbinden

„Ich forsche an der Hardware für Detektoren in der Teilchen-, speziell der Neutrinophysik. Aktuell entwickeln wir ein neues Experiment. Es heißt SHiP, dies steht für „Search for Hidden Particles“. Wir wollen damit allerdings nicht nur nach bisher verborgenen, neuen Teilchen suchen, sondern auch bekannte Teilchen, insbesondere Tau-Neutrinos, genauer unter die Lupe nehmen – und so bekannte und unbekannte Physik miteinander verbinden.

In Mainz konzentrieren wir uns auf einen Subdetektor, den sogenannten „Surrounding Background Tagger“, kurz SBT. Die zentrale Experimentierkammer von SHiP ist ein 50 Meter langes Vakuumgefäß, in dessen Inneren wir seltene Teilchenzerfälle studieren wollen. Um eine hintergrundfreie Messung zu ermöglichen, ist es sehr wichtig, dass alle Teilchen, die von außerhalb in dieses Zerfallsvolumen eindringen, identifiziert – also „getaggt“ – werden. Dazu umhüllt der SBT das gesamte Vakuumgefäß mit einer Schicht aus 20 Zentimeter dicken Flüssigszintillator-Segmenten, ausgestattet mit wellenlängenschiebenden Optischen Modulen (WOMs) und Silizium-Photomultipliern (SiPM) als Ausleseeinheit. Die WOM-Technologie wurde zuerst für das IceCube Experiment vorgeschlagen: Bei ihrer Weiterentwicklung arbeiten wir hier am Standort eng mit der Arbeitsgruppe von Sebastian Böser zusammen.

©: Angelika Stehle

In dieser Phase des Experimentes ist es möglich, eigene Ideen einzubringen und so Einfluss auf die Detektorentwicklung zu nehmen. Vier Teststrahlmessungen konnten wir mit zunehmend ausgefeilteren Detektor-Prototypen bereits an CERN und DESY durchführen. Das sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zum finalen Detektordesign. Betreiben wollen wir SHiP schließlich am Protonenbeschleuniger SPS des CERN: An einer zukünftigen „Beam Dump Facility“ (BDF) soll der hochenergetische und intensive Protonenstrahl zur Erzeugung neutraler, schwerer Teilchen genutzt werden. Studien ihrer Zerfälle werden es uns dann erlauben, weiter in den verborgenen „HiddenSector“ vorzudringen.“

Dr. Annika Hollnagel ist seit 2017 Postdoktorandin in der Gruppe von Prof. Dr. Michael Wurm. Zuvor promovierte sie in Hamburg am OPERA Experiment, das an einem Myon-Neutrinostrahl die Oszillation in Tau- und Elektron-Neutrinos untersuchte. In Mainz beeindruckt sie, wie international die
Neutrinophysik aufgestellt ist.